KLASSIK
C D s
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
Anna Bonitatibus, La Stagionc Atmonica,
Accademia degli Astrusi, Federico Ferri
DHM/Sony 2 CDs______________________ (100’)
Richard Strauss hat keine Semira-
m is-Oper geschrieben, obwohl die
sagenumwobene Begründerin Ba-
bylons prächtig in die Reihe seiner
starken Frauen gepasst hätte. Vom
Schulunterricht dürften vor allem
ihre „Hängenden Gärten“ in Erin-
nerung sein, doch die Dame war,
glaubt man der Legende, beina-
he ein Monster: Wie die aus dem
Spinnenreich notorisch bekannte
„Schwarze W itwe“ soll sie sich ihrer
Liebhaber durch Mord entledigt ha-
ben. Sie führte große Eroberungs-
kriege und beherrschte schließ-
lich das dam als bekannte Asien
bis nach Indien hin. Viele Kompo-
nisten haben ihr gehuldigt: Calda-
ra, Porpora, Jommelli, Bernasconi,
Traetta, Paisiello, Bianchi, Borghi,
Nasolini, G arda, Rossini, M eyer-
beer sowie Händel & Vinci.
Deren Huldigungen an die Baby-
lonierin holt Anna Bonitatibus nun
in ihrem neuen Album ins Schein-
werferlicht;
1 4
Ersteinspielungen
sind darunter, auch die Urfassung
von „Bel raggio lusinghier“ aus
Rossinis „Semiramide“. Dabei folgt
die Sängerin bei ihrem programma-
tisch klug durchdachten Recital den
Spuren ihrer Landsfrau und Mez-
zo-Fachkollegin Cecilia Bartoli, die
mit dramaturgisch konzipierten Al-
ben reüssierte.
Zw eifellos w eiß
B onitatibus,
w ie man dieses Repertoire ge-
staltet, doch könnte das Resultat
mit verbesserter Gesangstechnik
noch überzeugender sein. So aber
scheint sie eher mit dem Atem als
auf ihm zu singen, was wohl auch
ihr auffälliges Tremolo verursacht,
an das man sich nur schwer ge-
wöhnt. Andererseits legt sie sich in-
terpretatorisch voll ins Zeug, über-
zeugt - unterstützt von der Acca-
dem ia degli Astrusi unter Federi-
co Ferri - durch Leidenschaft, Ver-
ve und ein w eites dynam isches
Spektrum .
Gerhard Persche
MUSIK
KLANG
ohann Sebastian Bach, Frédéric
Chopin, A lexandr S krjabin u. a.
DANCES
Benjamin Grosvenor
Decca/Universal CD
(81’)
M it seinem zweiten Solo-Recital
für Decca bestätigt Benjamin Gros-
venor bravourös seinen Rang als
überragende Begabung der jüngs-
ten und wahrlich nicht schlecht
bestückten Pianistengeneration.
Unter dem lapidaren Titel „Dan-
ces“ beginnt der junge Brite, zur
Zeit der Aufnahm e noch nicht ein-
mal
2 1
Jahre alt, sein Programm
m it der großen, ungewöhnlich lo-
cker, beschwingt und fantasievoll,
dabei pointiert und klanglich er-
lesen transparent vorgetragenen
D-Dur-Partita von Bach.
Ü berzeugender fast noch die
folgende „Grande Polonaise“ von
Chopin, sie zeigt Grosvenors au-
ß erg ew ö h n lich e
Fähigkeit,
al-
Johann Sebastian Bach
DIVERSE GEIGENWERKE
Lisa Batiashvili, François Leleu, Emmanuel Pahud
u. a., Kammerorchester des Symphonieorchesters
des Bayerischen Rundfunks, Radoslaw Szulc
DG/Universal CD_______________________ (69’)
Es gab sehr prominente Geiger, die
so viel Respekt in sich trugen, dass
sie, scheinbar von Berührungsängs-
ten durchdrungen, fast einen Bo-
gen um Bachs W erk machten, wie
David Oistrach oder Isaac Stern, die
sich nie zu einer Gesamtaufnahm e
etwa der Solosonaten und -parti-
ten entschließen konnten. Lisa Ba-
tiashvili stellt sich ihre eigene Auf-
gabe im Umgang mit Bach und bie-
tet ein individuell m aßgeschnei-
dertes Programm, das auch ihren
Ehemann, den Oboisten François
Leleux, m iteinbezieht - gleich im
ersten W erk, dem Doppelkonzert
für Violine, Streicher und Continuo
BWV
1 0 6 0
R, einer Rekonstruktion
nach einem Konzert für zwei Cem-
le
ko m positorischen
Fein h ei-
ten der M usik ohne die gerings-
te Forcierung voll auszuspielen.
Dabei m acht er sich - anders als
beispielsweise zuletzt Lang Lang
- souverän vom großen Vorbild
Arthur Rubinsteins frei und bringt
die w ogende V irtu o sität des Ju-
gendw erks überschäum end zur
Geltung. Ebenso hilft ihm seine
(nicht nur für sein Alter) verblüf-
fende m anuelle und m usikalische
Freiheit, die O ktav-Sperrigkeiten
der großen fis-M oll-Polonaise mit
rassiger Attacke vergessen zu m a-
chen. Und auch die folgenden Ti-
tel seines anspruchsvollen Recitals
- m it Schulz-Evlers berühm t-ge-
fürchteter Bearbeitung von Johann
Strauss’ „Schöner blauer Donau“
als virtuosem H öhepunkt - legt
Grosvenor mit staunenswerter M ü-
helosigkeit und Vollkom m enheit
hin. Jugendlich-genialisches Kla-
vierspiel, das jedem , wirklich je -
dem Vergleich standhält.
Nicht optim al brillanter, aber gut
im Raum stehender Klang.
Ingo Harden
MUSIK ★ ★ ★
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KLANG ★
★
★
★
bali. Kongenial, wie ein Herz und
eine Seele, so klingt es auch hier,
klangschön, rund und wunderbar
ausphrasiert. Alle hier versam m el-
ten Werke werden auf einem unan-
fechtbar hohen musikalischen Ni-
veau dargeboten, über technische
Belange zu reden braucht man erst
gar nicht. Wie gekonnt und klang-
voll, ohne jedes saitenknirschende
Beiwerk Lisa Batiashvili etwa die
Fuge der a-M oll-Solosonate en t-
wickelt, ist bem erkenswert. Heute
Bach zu spielen, ohne sich „histo-
risch zu inform ieren“, ist undenk-
bar. Sie fand da „ihren ganz eige-
nen W eg“, schreibt Lisa Batiashvili.
Und der verbindet Elemente der
historisierenden Rhetorik und Ton-
bildung mit der Romantik und dem
Klang einer m odernen Geige. Da
werden auch Noten ohne Vibrato
angesetzt und erhalten dann eine
dezente Schwingung. Im mer mehr
Interpreten suchen diesen Spagat
zwischen den Stilwelten. Was Pu-
risten streng ablehnen dürften, mö-
gen andere als Alternative und Be-
reicherung ansehen.
Norbert Hornig
MUSIK -
KLANG ★ ★ ★
D m itri Schostakowitsch
Sergej R achm aninoff u. a
KLAVIERTRIOS
Atos-Trio
Farao CD______________________________(73)
Der leichte Ton ist nicht nur etwas
für französische Musik, soweit die
Leichtigkeit nicht mit Leichtfertig-
keit einhergeht. Dass sie diesen
Ton beherrschen, haben die Musi-
ker des Atos-Trios auf ihrem großar-
tigen „French Album“ gezeigt. Hier
nun behalten sie diesen Ton bei und
erschließen damit eine neue Pers-
pektive auf russische Kammermu-
sik. Schostakowitschs Trio Nr.
2
,
Arenskys Trio Nr.
1
, und Rachma-
ninows Trio Nr.
1
: All das klingt wie
mit feinem Strahl durchleuchtet, wie
geröntgt, wobei ein feines, nahe-
zu zerbrechliches Innenleben die-
ser Werke erkennbar wird. Schos-
takowitschs Trio, das der Kompo-
nist
1 9 4 4
im belagerten Leningrad
schrieb, ist hier nicht nur verzweifel-
te M itteilung aus finsterem Kerker,
sondern schwebt im freien Raum:
irgendwo verloren
über einem
schwarzen Abgrund. Daraus kann
sich eine Art höhere Heiterkeit erge-
ben, die die Schrecken des Irdischen
schon hinter sich weiß: Die kecke
Anarchie des Schlusssatzes klingt
beim Atos-Trio, als sei die Angst vor
dem Tod schon überwunden.
Arenskys Trio spielen die Musi-
ker als em pfindsam es Stück der
Hochrom antik, tragisch, aber nie
mit Theaterschmiere und im lang-
samen Satz am Rande der klangli-
chen Auflösung. Es gelingt da, was
nur selten gelingt: dass die Instru-
m ente vergessen gemacht werden
und nur noch pure Atmosphäre üb-
rig bleibt. Und auch wenn Rachma-
ninow zum großen Klangbad ein-
lädt, bleiben die Atos-Leute wach:
W uchtige Ausbrüche werden hier
stets in elegante Phrasierung ge-
kleidet, Durchsichtigkeit geht vor
Klangprotzerei. Das klingt alles so
klug und zugleich warm, so diszip-
liniert und zugleich empfindsam, so
frei und zugleich kollegial, dass man
sagen möchte: Genau so sollte Kam-
mermusik sein.
Clemens Haustein
MUSIK ★ ★ ★
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KLANG ★ ★ ★
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142 STEREO 11/2014
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht